Ausstellungskritik: "ausgezogen! n'Akt!"

Die Kunstszene der Großregion Trier ist nicht zu beneiden; es gibt kaum gute Ausstellungsmöglichkeiten für junge Künstler – höchstens kurzlebige Alternativprojekte wie Edeltrude undDas Karussell oder BUTTERKEKS, die eine Plattform und eine Alternative bieten, aber an mangelnde Unterstützung aus der (älteren) Bevölkerung und der Politik scheitern. Galerien sind praktisch so inexistent wie die Fachpresse, und die wenigen Museen sind für Regionalkünstler so gut wie unerreichbar.

Die einzige Alternative ist die Tuchfabrik (TUFA), die zudem eine der besten und spannendsten Ausstellungsräumlichkeiten bietet. Die Ausstellungen dort sind manchmal ganz passabel, selten gut – allein schon durch die Tatsache, dass man die Räume für eine eigene Ausstellung mieten kann zeigt, wie die Qualität der gezeigten Arbeiten schwanken kann.

Mit der aktuellen, TUFA-kuratierten Ausstellung ausgezogen! n'Akt!, hat sich die Kulturstätte selbst, und noch mehr den ausstellenden Künstlern, keinen Gefallen getan. Die TUFA hat damit die Chance verpasst, das Lechzen nach Kultur auf hohem Niveau, nach künstlerischer Bildung, zu befriedigen, obwohl das möglich gewesen wäre; und, was schlimmer ist, hat sie sich als Ausstellungsmacher (nicht -veranstalter!) disqualifiziert.

Schon der effekthascherische Titel ausgezogen! n'Akt! spricht hauptsächlich die BILD-Leser an – und Menschen, die nicht einmal einen künstlerischen Sinn entwickeln oder haben müssen, um sich die Arbeiten anzuschauen. Sie werden allerdings enttäuscht sein, denn viel Nacktes gibt es nicht wirklich zu sehen. Vielleicht zum Glück. Stattdessen wird ein Sammelsurium schlecht kuratierter Kunstsparten und -richtungen präsentiert, ein Patchwork von Arbeiten, die größtenteils weder ästhetisch, noch (über den Dorfkneipenhumor hinausgehend) lustig, noch innovativ, noch zeitgemäß (was, wenn es in der Qualität eine Begründung fände, noch berechtigt wäre). Die Ausstellung bewegt sich zwischen Hausfrauenkunst, Aktzeichenkurs und Studio-Aktfotografie, die an Austauschbarkeit und Ausgelutschtheit kaum zu übertreffen ist.

Aber eigentlich ist es nicht überraschend, dass die Ausstellung so uninspiriert daherkommt; ein Blick auf die Künstlerliste (darunter natürlich die Mitglieder des TUFA-Gremiums, die die Ausstellung zu verantworten haben) reicht aus, um eine Idee davon zu bekommen. Nicht, dass die Namen Schlimmes ahnen lassen. Vielmehr erschreckt die Anzahl. Aus etwa 100 Bewerbungen wurden 55 (!) Künstler aus der Region Trier, aus Luxemburg und Frankreich ausgewählt. Wer die Räumlichkeiten der TUFA kennt, weiß, dass auch ein einzelner Künstler diese problemlos bespielen kann. Es war also nicht verwunderlich, dass die Räume überfüllt und kleinteilig und die Werke gefühllos zusammen gewürfelt wirken.

Eine Auswahl – eine echte Auswahl – von 8-10 Künstlern, die mit längeren Strecken präsentiert werden und ein verantwortungsvoller Umgang mit dem Thema, hätte eine enorme Aufwertung der Ausstellung, des Ausstellungsstandortes Trier und eine Imageverbesserung für die TUFA bewirkt. Es ist nicht so, dass keine hoch qualitativen Arbeiten und Künstler vertetten sind. Es gibt durchaus Lichtblicke. Leider wird man diesen Künstlern nicht gerecht – zum Einen, weil man ständig hinterfragen muss, ob sie wirklich gute Kunst machen oder sind sie nur etwas hochwertiger, als das, was der Rest bietet. Und zum Anderen, weil sie in der Suppe völlig untergehen. Man fragt sich, ob sie froh sind, dabei zu sein.

Provokation ist gut, belebend und anregend, in welcher Form auch immer. Das Unvermögen mancher Kuratoren ist entschuldbar. Doch das, was an der Vernissage als Special Act angekündigt wurde und von den Machern wahrscheinlich als "DIE Idee" gedacht wurde, hat sich als das Schlimmste, was der Ausstellung noch passieren konnte, heraus gestellt: zwei Stripper wurden bestellt, Mann und Frau, die sich wohl selbst als Künstler verstanden und sich nacheinander vorm Publikum auszogen. Es war nicht besonders hübsch anzuschauen, auch nicht besonders sexy, man musste sich eher fremdschämen.

Es gibt Künstler, die gute Nackt-Performances zustande bringen; ein Spencer Tunick mobilisiert Massen von nackten Menschen für seine spektakulären Aktionen; Vanessa Beecrofts Performances mit skulptural anmutenden, teilweise nackten Menschen werden in Museen weltweit abgehalten. Und sogar die PETA-Aktionen, hauptsächlich politisch motiviert ("Lieber nackt als Pelz") sind ästhetisch und ansehnlich. Solche Größenordnungen erwartet man nicht von der TUFA in Trier. Ein Flitzer hät's auch getan, es wäre zumindest überraschend, irritierend und erfrischend. Doch das, was sich bei der Vernissage abgespielt hat, war eine künstlerisch wertfreie Darbietung, die die gesamte Ausstellung in eine Schmuddelecke drängte, die die ausstellenden Künstler nicht verdient haben.

In einer Ausstellung geht es nicht darum, jeden – auch schlechten – Geschmack zu bedienen, und auch nicht darum, vorzuführen, was es so alles zu einem Thema gibt – auch wenn es sich um eine thematische Ausstellung handelt. Es geht auch nicht um das persönliche Gefallen oder Nichtgefallen oder das gegenseitige Eierschaukeln. Vielfalt ist gut, aber nicht immer passend und nicht um jeden Preis. Vielmehr geht es um eine qualitative Auswahl und Fingespitzengefühl für das Zusammenspiel – und gleichzeitig für die Bewahrung der Individualität – einzelner Künstler. Und dort, wo dieses Gefühl der Machern sein sollte, klafft ein Loch. Eine gut kuratierte Ausstellung sieht anders aus. Das war ein Schuss in den Offen.

(es kann ein wenig dauern, bis das Video geladen ist. Alternativ auch hier zu sehen.)

-- ausgezogen! n`Akt! Vernissage: 26. März, 19.30 Uhr, 2. OG Finissage mit Kunstsalon: Gründonnerstag, 21.4.2011, 19 Uhr Öffnungszeiten: Mo / D i / Mi / Fr 14-17 Uhr, Do 17-20 Uhr, Sa / So 11-15 Uhr, am 21.4. während des Kunstsalons bis 21 Uhr www.tufa-trier.de Ausgestellt werden Arbeiten von: Julia Baur, Suzanne Beaujean-Adam, Olgaruth Blaß, Jeanette Bremin, Rainer Breuer, Edith Buchhalter, Gitta Büsch, Martina Diederich, Christine Dottke, Raymond Erbs, Ursula Faber, Malou Faber-Hilbert, Barbara Friebe, Wolfgang Gärtner, Karin Germeyer-Kihm, Petra-Marlene Gölz, Gisela Gross, Christel Grundheber, Christian Hans, Miikka Heinonen, Mark Heydrich, Ramona Hoffmann, Gisela Hubert, Alina Ivanova, Peter Köcher, Laas Koehler, Jean Luc Koenig, Maria Krahwinkel, Richard Krings, Calin Kruse, Herbert Lauer, Niclas Locker, Klaus Maßem, Leonie Mertes, Brigitte Morsch, Dani Neumann, Simona Nutiu Gradoux, Monica Pauly, Karola Perrot, Ursula Reindell, Gertrud Riethmüller, Patrick Rödig, Katja Romeyke, Daniel Schieben, Jutta Schmidt, Susanne Schmidt, Philippe Schulte, Nathalie Soldani, Rafael Springer, Sylvia Stadtmüller, Matthias Strugalla, Ingrid Ulrich-Schäfer, Jutta Wenz, Oliver Wetter

Also in Exhibitions

Seminar Thomas Meyer: FAITS DIVERS „Nun, eine Fotografie entsteht immer durch die spontane Reaktion auf sich selbst.“ Robert Frank, 1958 [...]

Im November finden zum ersten Mal die Fototage in Trier statt, und dazu erscheint eine Sonderausgabe von "dienacht" als Ausstellungskatalog. Das [...]

Morgen findet die Eröffnung der Fototage in Trier statt. Und rechtzeitig dazu kommt die Sonderausgabe von "dienacht", als schicker [...]